Virtual Reality = Science-Fiction? Im Gegenteil! Virtuelle Realitäten haben bereits Einzug in unseren Alltag gehalten – und verändern ihn stetig. Wir unterhielten uns mit Markus Herkersdorf, Geschäftsführer von TriCAT, einem Unternehmen, das virtuelle Lern- und Arbeitswelten entwickelt und bereits einige Innovationspreise abgeräumt hat – u.a. für den WBS LearnSpace 3D®. Markus Herkersdorf verriet uns, was die Faszination an der Gestaltung von virtuellen Welten für ihn ausmacht und warum eine virtuelle Umgebung sich besonders gut zum Lernen eignet.
Herr Herkersdorf, wie entsteht eigentlich so eine virtuelle Welt?
Also, am Anfang machen wir natürlich erst einmal eine Anforderungsanalyse und klären, um was es eigentlich geht und was mit welcher Zielsetzung am Ende entstehen soll. Dann beginnen wir mit der Konzeption und schließlich der Realisierung. In der Realisierung wiederum werden zuerst die 3D-Objekte erstellt, also z.B. Gebäude, Anlagen, Avatare etc. Aus diesen Objekten wird die virtuelle Welt später bestehen. Dies erfordert Arbeitsschritte wie 3D-Modellierung, Texturierung und Beleuchtung. Anschließend werden die 3D-Objekte mit ihren funktionalen Eigenschaften ausgestattet, danach kommen die Interaktions- und Simulationsanforderungen, einschließlich der dafür notwendigen Bedienschnittstellen. Und zum Schluss werden alle Komponenten zu einem funktionierenden Gesamtsystem integriert. Dann heißt es: testen, testen, testen!
Das klingt schon relativ aufwendig…
Ja, ist es auch. Und je nach Projekt können noch viele weitere Schritte dazukommen. Zum Beispiel entwickeln wir noch kundenspezifische spezielle Tools, stellen Szenario-Editoren bereit, kümmern uns um die Schnittstelle zum System unseres Kunden und darum, dass verschiedene Endgeräte genutzt werden können, zum Beispiel Tablet, Smartphone, VR-Brille etc. Alles in allem ist die Erstellung einer neuen virtuellen Welt immer ein faszinierendes Zusammenwirken von innovativen didaktischen Konzepten, neuesten technologische Möglichkeiten und, ja, auch künstlerischer Kreation.

Worin besteht Ihrer Ansicht nach die größte Herausforderung bei der Erschaffung virtueller Welten?
Ich glaube, das Wichtigste ist, dass man sich gemeinsam mit dem Kunden realistische und auch angemessene Ziele setzt. Denn häufig werden die Möglichkeiten, die virtuelle 3D-Welten im Kontext von Lernen oder auch Kollaboration bieten, unterschätzt – manchmal aber auch überschätzt. Hier ist es gar nicht so einfach, das richtige Maß zu finden. Am besten ist es, möglichst schnell zu einem funktionalen Proto-Typen zu gelangen. Und dann anhand dieses Prototypen in einem agil-iterativen Prozess, auch wieder gemeinsam mit dem Kunden, ein optimales Ergebnis zu erarbeiten.
Was ist das Besondere am Lernen in einer virtuellen Umgebung?
Wer es noch nie ausprobiert hat, mag es vielleicht nicht glauben, aber die Lernerfahrung in einer virtuellen dreidimensionalen Lernumgebung ist dicht an dem physischen Lernerlebnis in der Realität. Wissenschaftlich belegt ist, dass Lernende in einer 3D-Welt sowohl räumliche als auch soziale Präsenz empfinden. Sie können nicht nur durch Sprache miteinander kommunizieren, sondern sich auch mittels ihres Avatars bewegen und handeln.
Außerdem können wir die virtuelle Welt in ihrer Gestalt und ihren Gegebenheiten exakt an die jeweiligen Bedürfnisse anpassen. Was das angeht, ist Virtual Reality weitaus weniger beschränkt als eine physische Umgebung. Erlebnisraum und Lernumgebung: in einer virtuellen 3D Welt geht fast alles. Und: Sie ist immer verfügbar – besetzte Meeting-Räume adé!
Inwiefern unterstützt das 3D-Erlebnis den Lernerfolg?
Es ist weniger das 3D-Erlebnis an sich, als vielmehr die realitätsnahe Erfahrung, die man macht, wenn man in eine virtuell-interaktive 3D-Welt eintaucht. Denn (Lern-)Situationen werden dort ganzheitlich erlebt. Also wie im echten Leben. Das ist spannend und fordernd. Und es macht Spaß. Das schafft Motivation und einen nachhaltigen Lerntransfer. Natürlich funktioniert das nur in Kombination mit einem durchdachten didaktischen Konzept.

Was meinen Sie: Welchen digitalen Lerntrends gehört die Zukunft?
Wir erleben gerade, dass neben den etablierten Trends wie Micro-Learning, Video und Mobile auch das Lernen in virtuellen 3D-Umgebungen enormen Zuspruch erfährt. Dies gilt neben den simulationsbasierten Trainingslösungen (z.B. im High-Risk Umfeld Gotthard-Basistunnel) vor allem für den Bereich Virtual 3D Classroom/Academy-Lösungen. Diese sogenannten „kollaborativen Lernumgebungen“ schließen die Lücke zwischen der Weiterbildung in physischer Präsenz und den bisherigen E-Learning-Formaten.
Wenn präsenzähnliche, kompetenz- und handlungsorientierte Bildung nicht mehr zwingend ortsgebunden sein muss, eröffnet das enorme Möglichkeiten für die Zukunft. Dies gilt auch für empathische, auf Künstlicher Intelligenz basierende Lernbegleiter in Avatar-Form. Klingt nach Science Fiction, ist es aber keinesfalls. Bei TriCAT forschen wir – gemeinsam mit renommierten Einrichtungen wie z. B. dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) – an dieser Zukunft und entwickeln und etablieren hierzu bereits erste Lösungen.
Wir sind gespannt auf das, was da noch so kommt, und danken Ihnen für das Gespräch!
Artikelbild von Billetto Editorial
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