Noch immer umgibt das Vorstellungsgespräch ein Mythos, welcher eigentlich nach hunderten von Ratgebern und Beiträgen entzaubert sein sollte. Es gibt keine Frage, welche nicht schon gestellt und beantwortet wurde. Also könnte mein Ratschlag lauten: Lesen Sie! Wenn Sie auf alle dokumentierten Fragen ihre Antworten gefunden haben, dürfte Sie eigentlich im Vorstellungsgespräch nichts erschüttern. Eigentlich…
Autor: Rolf Schmitt, Bewerbungscoach
Ihr Selbstbild ist Ihre Visitenkarte
Wobei das Lesen nicht hilft, sind die Bilder, welche Sie von sich und der Situation im Kopf haben. Entscheidend ist, welches Selbstbild Sie von sich haben – dieses gilt es, im Vorstellungsgespräch zu vermitteln. Schon der griechische Philosoph Epiktet wusste um die Macht der Bilder in unseren Köpfen. Sein Aphorismus zum Thema Vorstellungsgespräch könnte deshalb lauten: „Es sind nicht die Dinge selbst, die uns beunruhigen, sondern die Vorstellungen und Meinungen von den Dingen.“ Darum behaupte ich, dass das erste Vorstellungsgespräch noch vor der eigentlichen Bewerbung liegt – nämlich in dem Bild bzw. der Vorstellung, die wir von dem bevorstehenden Vorstellungsgespräch haben.

Bewerben Sie sich nur, wenn Sie den Job wirklich wollen
Wenn Sie ein Stellenangebot lesen, beginnt bereits das Zwiegespräch mit Ihnen selbst. Sie sollten sich eine Vorstellung von der angebotenen Stelle machen. Welche Tätigkeiten werde ich ausüben? Wie wird mein Arbeitstag aussehen? Sie müssen sich ein Bild davon machen, wie sich diese Arbeit anfühlen könnte. Dann hören sie auf Ihr Bauchgefühl. Sagt dieses NEIN: Finger weg! Sagt es jedoch JA: Bewerben Sie sich. Sammeln Sie weitere Informationen zum Stellenanbieter, zapfen Sie alle Informationsquellen – Homepage der Firma, Zeitungsberichte, Kununu, etc. – an. Sind Sie danach noch überzeugt, der oder die Richtige für diese Tätigkeit zu sein, dann nehmen Sie den Schwung mit. Bewerben Sie sich oder rufen Sie das Unternehmen bei Fragen an und bringen Sie sich ins Gespräch. Dies ist bereits der erste Schritt in das Vorstellungsgespräch.
Machen Sie sich ein Bild vom potentiellen Arbeitgeber
Haben Sie es geschafft und die Einladung zum Vorstellungsgespräch erhalten, beginnt der nächste Schritt. Konzentrieren Sie sich darauf, Ihren potenziellen Gesprächspartner da abzuholen, womit er sich beschäftigt: Wer ist der passende Kandidat für diese Stelle? Denn dies ist seine Aufgabe, den oder die Beste für die offene Stelle auszuwählen. Das bedeutet natürlich, dass Sie sich auf den Wettbewerb vorbereiten müssen, da Sie garantiert nicht der oder die einzige Bewerberin sind, welche zum Vorstellungsgespräch kommt. Machen Sie sich auch ein Bild von ihren Mitbewerbern – was könnten z. B. deren beruflichen Stärken und Schwächen sein? Jedes Unternehmen und auch Sportler, die in einen Wettbewerb gehen, analysieren den Markt und stellen sich entsprechend darauf ein. Eine SWOT-Analyse – kurz Stärken-/ Schwächenanalyse – im Vorfeld, stärkt Ihre Position, da Sie nun wissen, wo Sie sich behaupten müssen.
Vermeiden Sie Generalisierungen
Jetzt sind Sie dran. Kennen Sie Ihre Erfolgsgeschichten! Worauf sind Sie stolz, was ist Ihnen bisher gut gelungen? Konzentrieren Sie sich auf diese Bilder. Zum einen fällt es leichter im Bewerbungsgespräch, über Bilder zu sprechen, zum anderen sind es genau diese Bilder, die auf der Gegenseite Eindruck machen. Gute Kommunikatoren erzielen Ihre Wirkung dadurch, dass sie Bilder vermitteln können. Daher sollten sie sich schon im Vorfeld damit beschäftigen und sich vor Generalisierungen, wie „Ich bin zuverlässig, ehrgeizig, kommunikativ, etc.“, hüten. Damit zaubern Sie zwar Bilder in den Kopf Ihres Gegenübers, nur eben nicht Ihre. Sprechen Sie lieber darüber, was Zuverlässigkeit oder Ehrgeiz für Sie persönlich bedeuten. Dadurch verändern Sie die Sicht Ihres Gesprächspartners von seinen Bildern auf Ihre und erschaffen damit Authentizität.
Vorstellungsgespräch: Ein Gespräch unter Freunden
Aber wie wollen wir unserem Gegenüber begegnen? Wann sind wir erfolgreich und authentisch im Gespräch? Stellen Sie sich vor, Sie sprechen in Ihrem Freundeskreis über Ihre Absichten, Ihre Stärken oder Schwächen. Hier fällt es Ihnen bestimmt leichter, zu kommunizieren und als Sie selbst aufzutreten. Was hindert Sie also daran, dieses Setting in das Bewerbungsgespräch mitzunehmen? Seien Sie unter Freunden. Finden Sie z. B. Eigenschaften am Gesprächspartner, welche Sie auch an Ihren Freunden schätzen. Oder maskieren Sie ihr Gegenüber und geben Sie ihm das Gesicht einer Vertrauensperson. Diese Vorstellungen geben Ihnen Sicherheit. Damit sind wir wieder zurück, bei den Bildern. „Ich mag dich“, ist die Voraussetzung, damit Kommunikation gelingt. Dies gilt auch für das Vorstellungsgespräch. Nehmen Sie es selbst in die Hand, dieses Gefühl im Gespräch aufrecht zu erhalten. Ein Bewerbungsgespräch ist ein Gespräch unter Freunden. Und jeder hat es in der Hand, dieses Mindset aufrecht zu erhalten.
Rolf Schmitt ist u. a. Bewerbungscoach bei WBS TRAINING und unterstützt Menschen mit Rat und Tat bei ihrem individuellen Bewerbungsprozess. Erfahren Sie hier mehr über den Autor.